September 22, 2017 / erstellt am: September 26, 2017 Fotografie, Portrait, Porträt, Pianist / Bewertung: 9 Der grosse Traum des PianistenEigentlich wollte ich meinen Fotografien vom Pianisten Nikola Pesic nur ein Gedicht gegenüberstellen. Mit seiner Melodie und seinem Rhythmus passt ein Gedicht gut zu virtuosem Klavierspiel, dachte ich. Aber es war schwierig ein passendes Gedicht zu finden. Entweder waren sie zu schwülstig, zu altbacken oder verfehlten sonst das Thema. Der Versuch selber ein passendes Gedicht zu schreiben, scheiterte an mangelndem Talent oder meiner Ungeduld. Einzig und allein ein Ausschnitt aus dem Gedicht «der Tastenhengst» von Heinz Erhardt finde ich einigermassen passend zu meinen Fotografien:Du bist ein gottgesandter Streiter, ein Held, ein Akkordarbeiter. Im Schweiße deiner flinken Finger drückst du auf jene langen Dinger, die man gewöhnlich Tasten nennt, und die, grad wie beim Schach getrennt in Schwarz und Weiß ihr Dasein fristen, als Requisit des Pianisten. Die Möglichkeiten einen Pianisten bei der Arbeit zu fotografieren sind beschränkt, könnte man meinen. Da sitzt einer vor einem schwarzen Kasten und bewegt sich kaum, abgesehen von seinen flinken Fingern. Erst die Bühnenbeleuchtung bringt etwas Dramatik in die Szenerie, setzt den Pianisten ins Scheinwerferlicht und lässt die Umgebung im Dunkeln verschwinden. Wie bei einem Konzert mit Publikum erhalten er und sein Klavierspiel die volle Aufmerksamkeit und werden durch nichts anderes abgelenkt. Der schwarze Leerraum wird zum Gestaltungselement. Erzeugt Ruhe und Spannung zugleich. Die hellen Flächen und Linien strukturieren das Bild. Reale und imaginäre Linien lenken den Blick auf das Wesentliche und beeinflussen unsere Wahrnehmung. Es ist als ob wir sein Klavierspiel hören könnten, etwas schwülstig ausgedrückt. «Erst in seinen Solopassagen begann er, sein Klavierspiel auszubreiten. Mit rasanten Läufen und Akkordblöcken über die gesamte Klaviatur verließ er den «sicheren Weg» und spielte grandios. So führte er auf den Höhepunkt des Abends, den zweiten Satz hin. Traumtänzerisch wandelte er hier durch die lyrisch schönen Melodien mit einem variablen und weichen Anschlag, den er bis zu einem kaum wahrnehmbaren Pianissimo führte. Den dritten Satz beendete er dann ganz im Einklang mit dem Orchester, dessen charakteristische Themen er präzise imitierte, nicht als schlappes Echo, sondern als vehementen Gegenpart.» Leider beschreibt dies nicht das Klavierspiel von Nikola Pesic. Es sind die Worte eines Kritikers über ein Klavierkonzert eines Pianisten, der es geschafft hat zur Elite zu zählen. Aber genau so könnte es auch bei ihm geschrieben stehen. Denn er gab auch schon Konzerte in Bern, Paris, Frankfurt, Belgrad und Wien. Und bis zum nächsten Konzert heisst es weiterhin üben, üben, üben und die richtigen Menschen kennenlernen. Wer Konzertpianist werden will, muss meist schon im Kindesalter mit dem Klavierunterricht beginnen. Bei entsprechendem Talent und fortgeschrittenen Fähigkeiten absolviert der angehende Pianist ein Hauptfachstudium an einer Musikhochschule oder einem Konservatorium. Pianist zu werden ist ein langer und steiniger Weg und dennoch gibt es viele gute Pianisten. Wie bei allen Künsten sind nicht nur die Begabung und die Fähigkeiten alleine entscheidend, ob man es schafft in die überschaubare, absolute Spitzengruppe der Solisten aufzusteigen. Viel wichtiger ist es die richtigen Leute zu kennen, die an einen glauben und die Karriere fördern. Ansonsten ist man gezwungen für kleine und kleinste Gagen Auftritte zu absolvieren oder sich als Klavierlehrer sein Brot zu verdienen. Ob gute Fotografien dabei helfen eine Karriere zu fördern, wird sich zeigen. Sei es auch nur die Karriere eines Klavierlehrers. Nikola Pesic sieht jünger aus als er ist. Das hat Vor- und Nachteile. Vorteil ist, dass das Publikum junge Pianisten mag. Es gibt ihm das Gefühl ein neues Talent entdeckt zu haben. Nachteil ist, dass er als Klavierlehrer weniger ernst genommen wird. Dennoch unterrichtet er bereits. Meistens als Stellvertretung bei Musikschulen, wo Kinder beginnen das Klavierspiel zu erlernen. Den Kindern spielt das Alter ihres Klavierlehrers keine Rolle. Hauptsache es macht Spass. Gegen Ende der Fotosession rückt er den Klavierstuhl etwas weg vom Konzertflügel. Zieht seine weisse, an den Knien zerrissene Lieblingshose an und setzt sich auf den Stuhl. Es ist als ob er sich vom Traum Konzertpianist zu werden distanziert. Als ob er sich damit abfinden würde nur Klavierlehrer zu bleiben. Aber seinen Blick nach oben verrät, dass ihn dieser Traum nicht loslässt. Träumen darf man immer. Die Hoffnung stirbt zuletzt. |