In meinem Fotografieprojekt im zweiten Semester an der HKB bei Esther van der Bie wollte ich das heutige Leben von Martha Roth porträtieren. Sie wurde im Februar 2011 hundert Jahre alt und lebt im Domicil Nydegg in Bern. Bei mehrmaligen Besuchen lernte ich Martha Roth besser kennen. Im Gespräch habe ich viel über ihr langes Leben erfahren, was ich in einem «Wörterbuch zu 100 Jahre Leben» verarbeitet habe.
Beim Fotografieprojekt sollte es aber nicht um das Vergangene gehen, sondern die heutige Lebenssituation darstellen. Trotz guter geistiger und körperlicher Gesundheit ist ihr Bewegungsradius eingeschränkt. So hart es vielleicht erscheinen mag, hat Martha ihr Leben gelebt und wartet nun in ihrem Zimmer auf den Tod. Ihr Leben ist Vergangenheit. Ein erfülltes Leben, wie sie zufrieden betonte. Was bleibt sind Erinnerungen. Einige Fotografien und Gegenstände helfen diese Erinnerungen wach zu halten. Alles in ihrem Zimmer ist akkurat geordnet. Sie wäre bereit zu gehen. Dennoch ist sie dankbar für jeden weiteren Tag, der ihr noch geschenkt wird.
In Erinnerungen schwelgend wirkte sie trotz geistiger Präsenz manchmal abwesend. Diese Abwesenheit wollte ich in meinem Fotografieprojekt zeigen, bevor die endgültige Abwesenheit eintreten wird. Mit dieser Fokussierung spielen die hundert Jahre keine Rolle mehr. Dennoch wählte ich den Titel «100 Jahre und 37 Tage», weil sie der Anlass waren, überhaupt auf Martha aufmerksam zu werden.