February 14, 2017 / erstellt am:  February 26, 2017
aufgefallen, gefallen, Kunst, Konzeptkunst

Ein Selbstgespräch als Kunstprojekt

Der 62-jährige Künstler Dalibor Martinis sitzt 2010 in einem fiktiven Fernsehstudio in einem Sessel und beantwortet die Fragen, die ihm auf einem Monitor von einem jüngeren Mann gestellt werden. Es stellt sich heraus, dass diese Schwarzweissaufnahmen im Jahr 1978 entstanden sind und der Fragesteller er selber in jungen Jahren ist. Er interviewt sich also selber mit einem Zeitabstand von 32 Jahren. Der junge Dalibor Martinis spricht englisch, die Antworten dagegen sind in seiner Muttersprache Serbokroatisch.

Wissend, dass er mit sich selber spricht, behandelt er sein zukünftiges Ich wie eine fremde Person. Nur so entsteht der Eindruck eines Interviews. Würde er in Ich-Form sprechen, würde es nicht funktionieren.

Die erste Frage, ob er noch lebt, ist insofern ein Witz, weil sie nur mit ja beantwortet werden kann, da er ansonsten dieses Gespräch nicht führen könnte, da Tote bekanntlich nicht mehr sprechen können. Das grösste Problem des Projektes bestand viel eher darin, das Filmmaterial so lange aufzubewahren und wieder abspielfähig zu machen, um dieses Interview mit sich selbst durchführen zu können.

Leider fand ich das «Gespräch», soweit man es als solches bezeichnen kann, weniger interessant, als die Idee, die dahinter steckt. Vielleicht hat er sich auch einfach nicht die richtigen Fragen gestellt. Er selber kritisiert, dass es aus heutiger Sicht bestimmt noch andere Fragen geben würde, er aber nur die vorhandenen beantworten kann.
Welche Fragen würde ich stellen?
Das Gemeine dabei ist, dass ich die Antworten erst in dreissig Jahren erhalten werde. Dabei wüsste ich sie heute schon gerne, weil es dann mein heutiges Leben beeinflussen würde. Wer würde nicht gerne für einen kurzen Moment in die Zukunft schauen wollen? Aber darum geht es nicht. Oder kann es nicht gehen. Weil niemand in die Zukunft schauen kann. Oder noch nicht, wer weiss? Das Projekt ist also viel eher ein Blick in die Vergangenheit und nicht in die Zukunft. Insofern wüsste ich keine Frage, die es sich lohnt, erst in dreissig Jahren beantwortet zu werden. Dennoch gefällt mir die Idee. Die Sinnlosigkeit dieses Projektes macht es zum Kunstprojekt.

Gesehen im Kunstmuseum Thun während der Ausstellung «Mirror Images - Spiegelbilder in Kunst und Medizin» (11.02. - 30.04.2017) oder auf youtube.


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