November 21, 2012 / erstellt am:  November 22, 2012
aufgefallen, gefallen, gelesen, Buch, Literatur, Kritik

Die fragliche Verlässlichkeit von Erinnerungen

Wie so oft erging es mir so, dass ich mich am Ende des Buches nicht mehr an den Anfang erinnern konnte, auch wenn nur ein paar Tage dazwischen lagen. Wie soll man sich erst recht an ein ganzes Leben erinnern können ohne dabei Wesentliches zu vergessen? Der Vorteil bei einem Buch ist, dass ich wieder an den Anfang zurückblättern konnte und einzelne Sätze las, die als Erinnerungsfetzen zuerst vorhanden waren und allmählich zu einer ganzen Lebensgeschichte zusammengefügt wurden.

Um Erinnerungen geht es unter anderem im Roman «Vom Ende einer Geschichte» von Julian Barnes. Aber noch viel mehr geht es um die Frage inwieweit unsere Erinnerungen von Selbsttäuschung bestimmt sind. Die Verlockung ist gross, Vergangenes schönreden zu wollen. So zurechtbiegen, dass die Wahrheit erträglicher wird. Unangenehmes und Unrühmliches ausblenden. Dies tut auch der pensionierte Protagonist, der gegen Ende seines Lebens mit seiner eigenen Vergangenheit und einer unbewältigten Schuld konfrontiert wird. Allerdings ist diese Schuldfrage nur zum Teil berechtigt, wie ich finde, da jeder für seine Handlungen selber verantwortlich ist.

Nebensächliches wird mit wenigen Sätzen abgehandelt um sich auf den Kern der Geschichte zu konzentrieren. Jede erzählte Episode aus der Vergangenheit macht Sinn und wird in seiner Wiederholung erkennbar. Ein kluges und lesenswertes Buch, auch wenn am Schluss einige Fragen unbeantwortet bleiben.  
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