July 23, 1995 / erstellt am:  January 20, 2008
Musik, gehört

Neuer Zugang zu klassischer Musik mit Charles Ives

Mit moderner klassischer Musik habe ich mich kaum beschäftigt. Bei einem Besuch eines befreundeten Regisseurs Ian Moule in Hamburg, zu dem später der Kontakt abgebrochen ist, entdeckte ich «The unanswered Question» vom amerikanischen Komponisten Charles Ives interpretiert von Leonard Bernstein und dem New York Philharmonic Orchestra (1964). Es erinnerte mich an die Experimentierfreudigkeit der späteren CDs der englischen Gruppe «Talk Talk», welche ich mit Begeisterung immer und immer wieder hörte. Vielleicht war es auch einfach nur eine Suche nach dem Aussergewöhnlichen, jenseits des allgemeinen Mainstreams.

http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Ives
Eines der ersten und auffallendsten Beispiele für Ives' Experimentierfreude ist «The Unanswered Question» von 1906, ein Werk, das er für eine ungewöhnliche Besetzung schrieb (Trompete, vier Flöten und Streichquartett). Später folgte auch eine Orchesterfassung. Die Streicher spielen während des ganzen Stücks eine sehr langsame, ununterbrochene, choralähnliche Folge reiner Akkorde, der die Blasinstrumente dissonierend gegenübertreten. Siebenmal gibt die Trompete zunächst ein kurzes Motiv vor, das Ives als «die ewige Frage der Existenz» beschrieb. Sechsmal suchen die Flöten eine Antwort - immer anders und immer schroffer. Am Ende jedoch bleibt die Frage unbeantwortet.
Es ist ein für Ives typisches Stück - es stellt verschiedene disparate Elemente übereinander, ohne ihre Verhältnisse genau zu klären, es erscheint angetrieben durch eine Erzählung, der wir uns nie voll bewusst werden, und bleibt zuletzt mysteriös. Daher findet «The Unanswered Question» als Filmmusik häufig bei Todesszenen Verwendung, z.B. in den Filmen: «Lola rennt» (1998) von Tom Tykwer, «The Thin Red Line» / «Der schmale Grat» (1998) von Terrence Malick.
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