November 23, 2017 / erstellt am:  November 24, 2017
aufgefallen, gefallen, Buch, Literatur

Mit Homophobie in der Provinz zum Bestseller

Rein literarisch betrachtet ist das Buch «Das Ende von Eddy» kein grosser Wurf. Handlung und Sprache wirken eher etwas trivial. Brutal und schonungslos sind auch andere Bücher geschrieben. Erstaunlich ist viel eher, dass ein Junge, der in solch schrecklichen, bildungsfernen und gewalttätigen Verhältnissen aufgewachsen ist, mit 18 Jahren fähig ist einen solchen Debütroman zu schreiben. Journalisten mögen Superlativen und in dem Sinne ist ein junger Autor, der einen Bestseller schreibt, ein Superlativ. Und dennoch kann dies nicht der einzige Grund sein, warum dieses Buch in Frankreich zum Bestseller wurde. Journalisten mögen auch Authentizität. Und weil Edouard Louis autobiografisch aus seinem eigenen Leben erzählt, wirkt der Roman sehr authentisch, was zur Steigerung der persönlichen Betroffenheit führt. Hätte ein anderer diesen Roman geschrieben und ich meine damit die Geschichte erfunden, wäre es wohl kaum zu einem Bestseller geworden.

«Verlegen wollte das Buch zunächst niemand. Zu sehr hinge die Schilderung des Provinzalltags aus der Sicht eines jungen, verzweifelten Homosexuellen überstrapazierten Klischees nach, zu banal trete das Proletarische hier auf, zu plakativ gestalteten sich die Charaktere, so die abwertenden Beurteilungen, mit denen Louis sich konfrontiert sah. Er konterte: Was wisse der akademische Kulturbetrieb in Paris schon von der bildungsfernen Realität im ländlich und industriell geprägten Nirgendwo?» (Sonja Grebe auf ihrem Blog Drittgedanke)

Es geht um Eddy Bellegueule, der in einer Arbeiterfamilie im Norden Frankreichs aufwächst und bald einmal feststellt, dass er anders ist als die anderen. Was er dabei erlebt und wie er damit umgeht wird in diesem Buch eindrücklich beschrieben.

«Erstaunlich, wie viel Hass dem jungen Eddy, der eine hohe Stimme und einen komischen Gang hat, entgegen schlägt. Die Leute aus dem Dorf in der Picardie, wo das Buch spielt, sind überwiegend Arbeiter, sie haben kaum eine Chance, sind abgehängt, und umso mehr treten sie auf den ein, der ihrer Meinung nach noch weiter unten steht, weil er keine Eier in der Hose» hat.» (gut geschriebene Rezension von Franziska Wolffheim erschienen am 19.02.2015 im Spiegel)

Angeblich wurde das Buch in Frankreich sehr kontrovers besprochen. Von Begeisterung bis heftiger Ablehnung. Ein solch kontrovers besprochenes Buch weckt natürlich die Neugier. Welche Seite hat nun Recht? Die Seite der Begeisterten oder die der Ablehnenden? Vielleicht ein weiterer Grund warum dieses Buch in Frankreich ein Bestseller wurde. Natürlich gibt es bereits eine Theaterversion davon. Und unter dem Titel «Marvin ou la belle éducation» hat Anne Fontaine das Buch verfilmt.
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