December 23, 2010 / erstellt am:  June 1, 2014
aufgefallen, gefallen, Buch, Literatur

angerichtet

Als Leser identifiziert man sich zu Beginn des Romans «angerichtet» vom niederländischen Autoren Herman Koch unweigerlich mit dem Ich-Erzähler. Seine präzise Beobachtungsgabe, die detailverliebten Formulierungen und seine abschätzigen Äusserungen über das bevorstehende Abendessen mit seiner Frau, seinem Bruder und dessen Frau in einem gediegenen Restaurant, machen es einfach ihn sympathisch zu finden. Erst durch die immer wiederkehrenden Rückblenden erfährt man mehr über ihn, die anderen Anwesenden und den eigentlichen Grund ihres Zusammentreffens. Nach und nach relativiert sich diese Sympathie zum Ich-Erzähler auch wenn man die verzwickte Situation in der er und die anderen Anwesenden sich befinden, verstehen kann. Ohne selber die beschriebenen Hintergründe zu werten, zwingt uns der Autor Stellung zu beziehen, was schwer fällt, weil eine harmonische Lösung des Problems kaum möglich ist.

30.05.2014
Endlich wieder einmal ein gutes Buch lesen. Man würde ein Buch wohl kaum ein zweites Mal lesen, wenn es einem beim ersten Mal lesen nicht gefallen hätte. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass man auch beim zweiten Mal lesen Gefallen daran finden wird. So erging es mir mit dem Roman «angerichtet» von Herman Koch. Ich weiss, worauf ich mich einlasse und kann mich darauf freuen.

Die deutsche Übersetzung des Titels finde ich sogar noch besser als der niederländische Originaltitel «Her Diner», weil er doppeldeutig verstanden werden kann. Ich habe inzwischen weitere Bücher von Herman Koch gelesen, aber keines konnte mich derart überzeugen und auch beim zweiten Mal Lesen in den Bann ziehen wie «angerichtet».
Kein Wunder, dass die Rezensionen im Internet sehr polarisierend ausfallen von euphorischer Begeisterung bis verärgerter Ablehnung. Wenn man sich gerne mit den Protagonisten identifiziert und dies einem im Verlaufe der Geschichte erschwert bis verunmöglicht wird, lehnt man das Buch ab, obwohl man eigentlich nur die Einstellung und das Verhalten der Protagonisten ablehnt und nicht die Geschichte als solches. Von Gewaltverherrlichung ist die Rede. Ja, es gibt leider Menschen, die Gewalt verherrlichen oder sich zumindest nicht davon distanzieren. Und ja, es gibt Menschen, die andere Ansichten und Einstellungen haben, die man durchaus ablehnen kann. Aber genau dies macht den Reiz dieses Romanes aus. Ich wurde mit Ansichten und Verhaltensweisen konfrontiert, die mir fremd sind - oder eben doch nicht, was noch viel irritierender ist.
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