April 26, 2013 / erstellt am:  April 26, 2013
aufgefallen, Fotografie, Wettbewerb

Der Fotograf ohne Namen - oder Fotografie ohne Aussage

Wie schreibt man einen kritischen Text über einen Fotografen bzw. seine Fotografien ohne missgünstig oder neidisch zu erscheinen? Denn ich mag dem Fotografen den Förderpreis von CHF 10'000.- von Herzen gönnen, welcher er mit seinen Fotografien kürzlich gewann, immerhin hat er sich getraut, seine Fotografien bei einem Stipendiumswettbewerb für freie Kunst einzureichen. Dennoch kann ich den Entscheid der Fachjury nicht verstehen, dass sie diese Fotografien als förderungswürdig empfinden. Insofern zielt meine Kritik eher auf die Jury, bestehend aus anderen Künstlern, Museumsdirektoren und Ausstellungskuratoren. Wobei Kritik das falsche Wort ist. Es ist eher eine Art Verwunderung. Ich bin erstaunt, dass diese Fotografie als etwas Besonderes angesehen und durch die Auszeichnung zur Kunst erklärt werden.

Gut möglich, dass es an mir selber liegt, dass ich die Qualität dieser Fotografien nicht erkennen kann. Und vielleicht lerne ich eine neue Sichtweise kennen, wenn ich mich damit vertiefter auseinandersetze.

In ihrem Jurybericht nennt die Fachjury den Fotografen einen begnadeten Beobachter der Realität, der seine Landschaftsporträts sorgfältig und präzise formuliert. Mir erscheinen die Aufnahmen eher zufällig, bestrebt möglichst unspektakulär sein zu wollen. Es sind Landschaften an denen wir achtlos vorbeigehen würden, weil es nichts zu beachten gibt. Es wird vermieden Menschen in der Landschaft abzubilden. Man sieht nur die Spuren menschlicher Existenz in der existierenden Natur. Sicherlich nichts vom Fotografen Inszeniertes. Was will uns diese Fotografie sagen? Die Aussage wird geradezu verweigert. Man sieht, was man sieht ohne dabei etwas zeigen oder sagen zu wollen. Dennoch sieht die Fachjury angeblich ein narratives Potential, als ob die Fotografie uns eine Geschichte erzählen möchte. Allerdings denke ich, dass jede Form von Bild eine Geschichte erzählen will. Ein Bild entsteht (oft unbewusst) um etwas zeigen oder sagen zu wollen und insofern kann in jedes Bild irgend eine Geschichte hineininterpretiert werden. Spannend vielleicht ist, dass diese Fotografie gerade versucht eine offensichtliche Geschichte zu vermeiden und dadurch von der Fachjury als eigenartige Szenerie bezeichnet wird. Ein Gedanke, der mir zu gefallen beginnt.

«Die Jury honoriert das Vermögen, spannende Bilder in der Umgebung zu erkennen und sie gleichzeitig in einen Dialog zur medialen Selbstreflexion der Fotografie, als Zugleich von Abbild und Bild, zu setzen.» Ein schöner Satz in geschwollener Kuratorensprache, als ob die Fotografie selber reflektieren könnte. Dass sich der Fotograf bei seiner Arbeit etwas überlegt, bezweifle ich keineswegs, setze ich sogar voraus. Die mediale Selbstreflexion von Bild und Abbild erkenne ich jedoch nicht bei der Betrachtung dieser Fotografie bzw. sehe sie in jeder Form bildhafter Darstellung. Was wir sehen erzeugt ein Bild in unserem Kopf. Eine Fotografie ist ein Abbild davon. Aber nicht alles was wir sehen, muss abgebildet werden. Die Idee mit Fotografie nicht abbilden zu wollen, muss zwangsläufig scheitern, da es in der Natur der Fotografie liegt, dass sie abbildet, im Gegensatz zur Zeichnung oder Malerei, die sich vom Abbild lösen kann.

In diesem Zusammenhang bin ich auf folgenden Satz vom italienischen Schriftsteller Italo Calvino gestossen: «Der Schritt zwischen der Wirklichkeit, die fotografiert wird, weil sie uns schön erscheint, und der Wirklichkeit, die uns schön erscheint, weil sie fotografiert wurde, ist sehr kurz.» Vielleicht werden unspektakuläre Landschaften tatsächlich schöner, wenn man sie fotografiert.

«Seine Bilder erhalten durch die Rahmung stets eine klare Kontur», schreibt die Fachjury weiter. Eine Erkenntnis die für jede Fotografie gilt, da abgesehen von abstrakten Bildern, Fotografie immer einen Ausschnitt eines Ganzen sein muss. Die Rahmung pointiert diesen Ausschnitt nur. Die Auswahl eines bewussten Ausschnitts gehört zur Fotografie wie die Bildkomposition in der Malerei. Es liegt ebenso in der Natur der Fotografie einen Ausschnitt wählen zu müssen. Nur manche Amateure kümmern sich wenig um den Bildausschnitt, weil es ihnen nur um die Abbildung eines Menschen oder Objektes geht und die Umgebung übersehen oder als unwichtig erachten. Das Diptychon macht das Ganze auch nicht besser.

«Seine Landschaftsporträts stehen im Diskurs mit der Landschaftsfotografie von Eugène Adget über Edward Weston zu Steven Shore.» Bei diesem «Namedropping» vermute ich doch eher eine Vortäuschung einer Fachkompetenz ohne vertiefte Auseinandersetzung mit begründetem Vergleich. In wie weit lassen sich diese Fotografien vergleichen? Wo gibt es Parallelen oder Unterschiede? Welche Elemente lassen einen Vergleich zu? usw.

Oft beurteilt eine Jury nicht nur ein einzelnes Bild sondern das Gesamtwerk eines Künstlers. Aber auch hier kann ich wenig Spannendes erkennen ausser einer konsequenten Belanglosigkeit. Immerhin konsequent, was zumindest einen roten Faden bildet. Abgesehen davon, gibt es viele Kunst, die mich langweilt, zu der ich keinen Zugang finde, aber dies scheint eher mein persönliches Problem zu sein.

Ohne die Auswahlkriterien der Fachjury zu kennen, ist sie insofern entschuldigt, dass diese aus den 59 eingereichten Arbeiten vielleicht tatsächlich eine der besten war.
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