August 27, 2014 / erstellt am:  August 27, 2014
aufgefallen, gefallen, Kunst, Konzeptkunst

Kann Diebstahl Kunst sein?

Oft erkenne ich bei Ausstellungen zu Konzeptkunst anhand der ausgestellten Exponate nicht, worum es geht. Ich muss mir schon die Zeit nehmen und mich informieren, das heisst darüber lesen um die Idee, welche oft wichtiger ist als das visuelle Ergebnis, verstehen zu können. Habe ich aber einmal die Idee oder das Konzept, welches dahinter steckt, verstanden, ist es wie eine Offenbarung und die ausgestellten Exponate ergeben einen Sinn. Ich freue mich darüber, die Idee verstanden zu haben, sofern die Idee gut ist. Manchmal ärgere ich mich auch, wenn mir die Idee nicht gefällt oder wenn ich trotz Bemühungen nicht verstehe, worum es geht.
 
Wie ein Bild oder eine Skulptur, kann ich auch eine Idee schön finden. Sie regt mich sogar viel eher zum Denken an, weil ich denken muss, wenn ich eine Idee verstehen will. So erging es mir bei der zufälligen Entdeckung der kopflastigen Konzeptkunst der jungen Österreicherin Maria Anwander. «Mit erstaunlicher Konsequenz unterwandert die Wahlberlinerin humorvoll die Regelwerke und Klischeebildungen des Kunstbetriebs. Es ist eine Guerilla-Taktik der leisen Art.» (Zitat Birgit Sonna in art, Das Kunstmagazin)
Dass es Maria Anwander Ernst meint mit Ihrer Kunst, beweist sie durch ihren Mut, wenn sie zum Beispiel unerlaubterweise im Museum MoMA in New York eine weisse Wand küsst und anschliessend mit einem Schild als Werkbeschreibung ihre Spuren des Lippenstiftes als Schenkung an die Museumssammlung deklariert («The Kiss»). Sie schreckt auch vor Diebstahl nicht zurück, wenn sie in Museen die Beschriftungsschilder bekannter Gemälde entwendet («My Most Favourite Art»).
 
Auf ihrer Website sind ihre bisherigen Arbeiten gut dokumentiert, weshalb ich verzichte sie hier zu wiederholen. Es lohnt sich aber, sich etwas Zeit zu nehmen, darüber zu lesen um die Ideen dahinter zu verstehen (Kapitel Text).
 
Dennoch stellt sich auch bei mir die Frage: Wozu das Ganze? Weil Ideen eben auch schön sein können, wie ein Bild oder eine Skulptur (allerdings besteht die Gefahr, dass nicht schon andere dieselbe Idee hatten). Weil sie noch viel mehr zum Denken anregen, als ein Bild oder eine Skulptur (auch wenn mir dieses Denken keinen ersichtlichen Nutzen bringt, ausser der Freude am Denken). Weil sie Fragen aufwerfen, die mich beschäftigen (auch wenn ich diese Fragen nicht beantworten kann). Weil die Frage nach dem Zweck in der Kunst sowieso nie relevant ist (weil Kunst nie nach einem Sinn oder Zweck verlangt). Heute ist beinahe alles Konzeptkunst, auch wenn sich Ideen weniger gut ausstellen und verkaufen lassen als Objekte. Aber nur ein geringer Teil davon spricht mich an.
 
Historisch betrachtet beinhaltet Konzeptkunst eine kritische Haltung gegenüber Kunstmarkt, Kapitalismus und gesellschaftspolitischen Themen. Heute ist Konzeptkunst eher eine begriffliche Schublade für alles, was nicht nach konventioneller Kunst aussieht. Der Kunstmarkt hat Konzeptkunst längst vereinnahmt und zur Handelsware erklärt, was eigentlich mit der Konzeptkunst kritisiert wurde.
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