November 28, 2013 / erstellt am:  November 29, 2013
aufgefallen, gefallen, Buch, lesen, Literatur

Die stille Kraft der Literatur

Das Faszinierende am Roman «Stoner» vom amerikanischen Autoren John Williams ist, dass er eine ziemlich unspektakuläre, wenn nicht gar langweilige Geschichte erzählt, die einem dennoch zutiefst berührt und viele Fragen aufwirft ohne sie zu stellen. Es sind existenzielle Fragen, die uns berühren: Wie gestalten wir unser Leben? Wie stark können wir unser Schicksal selber bestimmen? Was ist ein glückliches Leben?

Aber stellt nicht jede Geschichte, die das Leben einer Person porträtiert, diese Fragen? Vergleichen wir nicht zwangsläufig das eigene Leben mit dem Leben anderer?

Der Autor erzählt wie bei einer Biografie das Leben von William Stoner, ein einfacher Bauernsohn aus Missouri Anfang des 20. Jahrhunderts, der eigentlich Agrarwissenschaften studieren sollte um dann den Hof seiner Eltern übernehmen zu können. Dabei entdeckt er seine Leidenschaft für die Literatur und wird ein mittelmässiger Universitätsprofessor. Den Zumutungen und Ungerechtigkeiten des Lebens setzt Stoner eine stoische Geisteshaltung und Duldsamkeit entgegen, von der man nicht weiss, ob man sie bewundernswert oder empörend finden soll. Doch wie seine bäuerlichen Vorfahren hadert er nicht mit seinem Schicksal. Er stolpert in eine unglückliche Ehe, wird in Intrigen an der Universität verwickelt, entfremdet sich von seiner Tochter und stirbt mit 67 Jahren an Krebs.

Was hätte aus seinem Leben werden können, wenn er nicht so bescheiden und duldsam gewesen wäre? Warum hat er sich nicht mehr gegen all die Ungerechtigkeiten aufgelehnt?

Wie sein Protagonist hält sich der Autor zurück und verzichtet auf sprachliche Extravaganzen und formale Experimente und erzählt seine Geschichte chronologisch und ohne Schnörkel. Gut möglich, dass die beschriebenen Charaktere etwas eindimensional wirken und dennoch nicht an Glaubwürdigkeit verlieren. Aber vielleicht ist genau das die hohe Kunst der Literatur, dass man nicht genau erklären kann, was diese stille Kraft und Faszination ausmacht.
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