June 30, 2016 / erstellt am:  June 30, 2016
aufgefallen, gefallen, Fotografie, Fotobuch

Penelopes hungriger Blick

Fotografen verstecken sich lieber hinter ihrer Kamera als selber fotografiert zu werden. Der Amerikaner Abe Frajndlich (geboren 1946) hat sich dies jedoch zu seiner Aufgabe gemacht und porträtiert seit über 30 Jahren seine mehr oder weniger berühmten Berufskollegen. Eine Auswahl von 101 Aufnahmen der immer umfangreicher werdenden Porträtsammlung veröffentlicht der Fotograf 2011 im Buch «Penelopes hungriger Blick». Was das Buch besonders interessant macht sind die Texte zu jeder Fotografie, welche die Entstehungsgeschichte oder witzige Anekdoten verrät. Nebenbei erfährt man eine Menge über die Geschichte der Fotografie, auch wenn die Auswahl der Porträtierten willkürlich erfolgt ist.

«Es kommt nicht in Frage, dass ich irgendwas von deinen verrückten Sachen für dich mache», begrüßte Annie Leibnitz ihn im Herbst des Jahres 1991 gleich an der Tür ihres Studios - ausgerechnet sie, die mit ihren verrückten Einfällen die Ästhetik der Prominentenporträts in den siebziger und achtziger Jahren maßgeblich beeinflusst hat. Zurückhaltung, so wusste sie freilich nur zu gut, war nie Abe Frajndlichs Sache gewesen. Mit seinen skurrilen Arrangements in meist leuchtenden Farben gehört auch er zu jener Riege von Fotografen, die mit ihren Porträts eher Geschichten erzählen als Gesichter zeigen. () Annie Leibovitz hatte sich am Strand von Sagaponack in den Hamptons dann doch noch hinter ihrem Fotoapparat versteckt. Frajndlich den Rücken zugekehrt, schießt sie mit einer Kleinbildkamera zurück.» (Freddy Langer in der Frankfurter Allgemeinen 13.12.2011)

Ich muss zugeben, dass ich viele Namen der Fotografen nicht kannte, jedoch einige ihrer Fotografien schon. Es wäre vermessen von einem who is who der Fotografie zu sprechen, da doch einige wichtige Meister der Fotografie fehlen. Und dennoch ist die Liste eindrücklich. Es fällt auch auf, dass die Auswahl von Amerikanern dominiert wird und dennoch konnte Abe Frajndlich auch einige Fotografen anderer Nationalitäten porträtieren. Es sind alles Fotografen und Fotografinnen der alten Garde, die meistens noch analog fotografiert haben.

«Manche dieser Aufnahmen kommentieren die Lebensgeschichte oder Rezeption eines Fotografen, andere zitieren ein einzelnes, in das fotografische Gedächtnis ihrer Zeit eingegangenes Foto. Ironisch oder plakativ, voll Bewunderung oder im Innersten berührt arbeiten Frajndlich Porträts am Mythos, den sich die Fotografen mit ihrem Lebenswerk geschaffen haben.» (Andrea Gnam, in der Süddeutschen Zeitung 12.12.2011)

In der griechischen Mythologie und nur diese kann gemeint sein, wenn es um bedeutungsschwangere Titel geht, ist die Frau des Odysseus. Sie ist das Sinnbild einer treuen Ehefrau, die enthaltsam lebte, während sie auf ihren Mann wartete, der auf Entdeckungsreise war. Als Metapher für eine treue Begleiterin steht sie im Bildband «Penelopes hungriger Blick» vom Amerikaner Abe Frajndlich für die Kamera, die stets bereit ist Bilder zu erzeugen.

«Fotografen sind nie zufrieden, immer wollen sie mehr. Das gilt sowohl für die hier abgebildeten Fotografen als auch für mich selbst – ständig hungern wir nach visuellen Erfahrungen und nach den seltenen Delikatessen, Eden ganz wenigen Aufnahmen aus kilometerlangem belichtetem Filmmaterial, die abzuziehen sich überhaupt lohnt. Und heute kommen noch die Gigabytes an digitalem Material hinzu, aber das Spie bleibt dasselbe: Es ist immer leicht, auf den Auslöser zu drücken, aber nie leicht, ein gutes Bild zu bekommen.» (Abe Frajndlich)

101 porträtierte Fotografen:
Berenice Abbott, Ansel Adams, Ted Allen, Manuel Alvarez Bravo, Nobuyoshi Araki, Ellen Auerbach, Richard Avedon, John Baldessari, Lilian Bassman, Peter Beard, Ruth Bernhard, Ilse Bing, Edouard Boubat, Bill Brandt, Harry Callahan, Henri Cartier-Bresson, William Christenberry, Chuck Close, Serge Cohen, John Coplans, Imogen Cunningham, Louise Dahl-Wolfe, Thomas Demand, Robert Doisenau, Harold (Doc) Edgerton, William Eggleston, Alfred Eisenstaedt, Elliott Erwitt, Andreas Feiniger, Robert Frank, Lee Friedlander, Masahisa Fukase, Gianni Berengo Gardin, Mario Giacomelli, Ralph Gibson, Gilbert & George, Allen Ginsberg, F.C. Gundlach, John Gutmann, Robert Heinecken, David Hockney, Candida Höfer, Evelyn Hofer, Dennis Hopper, Horst P. Horst, Eikoh Hosoe, Walde Huth, Yasuhiro Ishimoto, Lotte Jacobi, Yousuf Karsh, György Kebes, André Kertész, William Klein, Barbara Klemm, Josef Koudelka, Clarence John Laughlin, Robert Lebeck, Annie Leibovitz, Saul Leiter, Alexander Liberman, Stefan Lorant, Angus McBean, Duane Michals, Boris Mikhailov, Inge Morath, Abelardo Morell, Barbara Morgan, Daido Moriyama, Vic Muniz, Hans Namuth, Ikko Narahara, Arnold Newman, Joseph Nicéphore Niépce, Norman Parkinson, Gordon Parks, Christopher Pekoc, Irving Penn, Robert Rauschenberg, Marc Riboud, Gerhard Richter, Leni Riefenstahl, Willy Ronis, Ed Ruscha, Lucas Samaras, Jan Saudek, Andres Serrano, Cindy Sherman, Kishin Shinoyama, Aaron Siskind, Sandy Skoglund, W. Eugene Smith, Frederick Sommer, Doug und Mike Starb, Thomas Struth, John Szarkowski, Hiromi Tsuchida, Andy Warhol, William Wegman, Minor White, Garry Winogrand, Joel-Peter Witkin

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