June 6, 2011 / erstellt am:  June 6, 2011
Weiterbildung, HKB, Typografie, Schrift / Bewertung: 7

Der lange Weg zur eigenen Schrift

Vielleicht bin ich durch meine langjährige Praxiserfahrung sehr ergebnisorientiert geworden. Nicht, dass mich der Entstehungsprozess nicht interessieren würde, aber am Ende hätte ich gerne ein mehr oder weniger fertiges Endprodukt.

So war dies auch im sogenannten Typoclub der HKB bei Christoph Stähli Weisbrod und Mika Mischler. Am Ende des zweiten Semesters hätte ich gerne eine eigene eigenständige Schrift gestaltet gehabt. Ein ehrgeiziges Projekt, wenn man bedenkt, dass gewisse Schriftenentwerfer zum Teil mehrere Jahre an einem Schriftentwurf arbeiten. Es gibt bereits unzählige mehr oder weniger brauchbare Schriften, was mich jedoch nicht davon abhält, mich immer wieder mit dem Thema Typografie vertieft auseinanderzusetzen. Eine eigene Schrift bleibt eine eigene Schrift, die einzigartig ist und die niemand sonst besitzt.

Ausgangslage für mein Schriftprojekt war meine eigene Handschrift. Ziel war es aber nicht, eine weitere Handschrift zu digitalisieren, sondern abgeleitet von meiner Handschrift zu neuen Formen und Schriftbildern zu gelangen. Am Ende sollte eine konstruierte Schrift entstehen, die ein einheitliches Schriftbild erzeugt und die eventuell nicht mehr viel mit einer Handschrift zu tun haben muss. Keine wirklich neue Idee, da viele Schriften aus Handschriften entstanden sind. Aber für mich ist es neu, da ich mich noch nie mit meiner Handschrift im typografischen Sinne beschäftigt habe. Tagebuchartig habe ich den Entstehungsprozess dokumentiert. Eine Annäherung meiner Handschrift zu einer Groteskschrift. Eine Schrift also ohne Serifen und mit optisch gleichbleibender Strichstärke. Bald schon stellte sich heraus, dass ich mich aus zeitlichen Gründen in diesem Semester nur um die Kleinbuchstaben kümmern konnte, da ich mich immer nur Freitagnachmittags damit beschäftigte. In mehreren Schritten habe ich mich von meiner eigenen Handschrift immer mehr gelöst. Dennoch war es erstaunlich wie lange der Handschriftcharakter spürbar blieb. Es galt Gesetzmässigkeiten herauszufinden und gleiche Formen zu wiederholen oder bewusst neue einzuführen. Die Buchstaben «e», «k», «r» und «s» stellten sich am schwierigsten zu zeichnen heraus, weil sie Formen aufweisen, die bei keinem anderen Buchstabe auftreten oder in der Anwendung nicht ins Schriftbild passen wollten.  

Noch weiss ich nicht, ob ich mein Schriftprojekt weiterführen werde. Es würde noch einiges an Aufwand benötigen um eine perfekte Groteskschrift gezeichnet zu haben. So wurde aus meinem Ziel eine eigene Schrift zu gestalten eher eine typografische Untersuchung, was ja auch ein Endprodukt sein kann. Eine spannende Erfahrung mit der erneuten Erkenntnis, dass Schriftgestaltung unglaublich aufwändig und schwierig ist.
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