November 6, 2009 / erstellt am: November 14, 2009 Gedanken, Weiterbildung, Motivation
Motivation für das Masterstudium «visuelle Kommunikation»
Meine Motivation für das Masterstudium an einer «Hochschule der Künste» setzt sich aus vielen einzelnen Beweggründen zusammen, die sich vor allem in Fragen, Widersprüchen und Vermutungen äussern:
- Die «Hochschule der Künste» in Bern, die ich an einem «Tag der offenen Tür» besucht habe, provoziert mich, weil ich das Gefühl habe, dass ich eigentlich scheinbar überhaupt nicht da hinein passe. Ich habe Klischeevorstellungen, sehe aber auch, dass Klischees gelebt werden. Als Beispiel für ein gelebtes Klischee: Bei einem kreativ arbeitenden Menschen muss Chaos und Unordnung herrschen. Mich reizt gerade das Gegenteil: Kreativität durch extreme Ordnung und Struktur.
- Ich verstehe die meisten Arbeiten, die ich bisher an dieser Hochschule gesehen habe, nicht. Und genau dieses Unverständnis reizt mich. Manchmal habe ich die Vermutung, dass Grafiker und Künstler, vor allem wenn sie unter sich sind, gar nicht verstanden werden wollen. Je abgehobener und unverständlicher, desto besser, was jedoch für mich im Widerspruch zur visuellen Kommunikation steht, wo es gerade, nach meiner Ansicht, um Verständnis gehen sollte. Werde ich nach dem Masterstudium besser verstehen?
- Ich habe noch viele Fragen: Was heisst visuelle Kommunikation? Wo wird visuell kommuniziert? Wer will mir was sagen? Und wie wird mir was gesagt? Wie funktioniert Kommunikation? Wie funktioniert visuelle Kommunikation? Was ist gute visuelle Kommunikation? Was ist schlechte visuelle Kommunikation? Muss visuelle Kommunikation von allen verstanden werden?
- Ich bezeichne mich als Dokumentarist. Eine Art Charaktereigenschaft, die ich an mir feststellen musste, die sich entwickelte und die ich gerne noch weiter entwickeln möchte. Ein Dokumentarist schaut um sich herum und hält erst einmal fest, was vorhanden ist. Die Frage ist nun, wie stellt man dieses Sammelsurium auf eine Art und Weise dar, dass es spannend und anregend wird?
- Ein Grund, der bestimmt nicht gerne gehört wird. Aber es passt zu mir, dass ich ihn genau deshalb hier erwähne: Motivation für das Masterstudium ist die Vermutung mit diesem Abschluss bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben, weil leider immer mehr darauf geachtet wird, wer welchen Abschluss hat und nicht was jemand wirklich kann.
- Mich interessiert auch wie stark ich noch bereit bin, mich auf Impulse von aussen eingehen zu lassen. Wo setze ich meine Grenzen und wo bin ich bereit für Neues? Meine Medien waren bisher Fotografie (auch Video), Texte und einfache grafische Elemente. Zeichnen und Malen liegen mir weniger.
- Ich bin Grafiker und kein Künstler. Ein Grafiker erhält von einem Auftraggeber eine meist sehr konkrete Aufgabenstellung, die ich zu erfüllen habe. Aus der Praxis weiss ich, dass diese Aufgaben zum Teil ziemlich banal sein können. Meine Aufgabe ist es nun, diese banalen Aufgaben spannend und anregend visuell umzusetzen. Ohne wertend zu sein stellt sich mir die Frage, wie praxisfremd oder praxisnahe ist diese Hochschule? Abgesehen davon darf eine Hochschule durchaus etwas praxisfremd sein - die Praxis kommt ja dann wieder früh genug.
- Auch wenn es etwas floskelhaft erscheinen mag, bin ich immer noch ein suchender Mensch. Auf der Suche nach interessanten Themen, nach gestalterischen Ausdrucksformen und nach zwischenmenschlichen Begegnungen, die mich berühren und zu geistiger wie emotionaler Auseinandersetzung anregen.
- Ich vermute, dass mit meiner soeben beschrieben Eigenart, noch viel Potential für kreative Arbeit vorhanden ist.
- Nach all dem taucht bei mir die Frage auf: Will ich mir das alles wirklich an tun? Ja, ich will. Ich scheue nicht die Auseinandersetzung - mit mir selbst, aber auch mit anderen. Ich will fragen, hinterfragen und natürlich auch kritisieren. Ich will aber auch kritisiert werden und bin gespannt, wie ich damit umgehen werde.
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