December 10, 2009 / erstellt am:  December 13, 2009
Gedanken, Projekt, Idee, Lebenserfahrung

Zu Fuss ans Meer - Projekt oder Schnapsidee?

Es klingt absurd. Die Schweiz liegt bekanntlich nicht am Meer. Und gerade deshalb ist das Ziel so reizvoll. Vor allem weil auf dem Weg von mir zu Hause und dem Meer einige Hindernisse vorhanden sind. Die Sehnsucht nach dem Meer ist ein alter Mythos und genau diesen Mythos will ich zum Thema eines Sommerprojektes machen. Warum gerade zu Fuss? Durch die Langsamkeit und das Bewältigen dieser Aufgabe nur mit meinen eigenen Kräften, erhält das Projekt einen archaischen Charakter.

Welches ist der kürzeste Weg von mir zu Hause ans Meer. Ich nehme eine Landkarte und ziehe einen geraden Strich von unserer Wohnung bis ans Meer, ich vermute irgendwo bei Genua. Wie ein Pilger wandere ich dann drauflos und versuche so günstig wie möglich zu leben. Das heisst, bei Bauern fragen, ob ich übernachten darf. Mich in öffentlichen Badeanstalten waschen, mich günstig ernähren und dabei natürlich Tagebuch schreiben und fotografieren.

Natürlich muss ich mir auch noch ein paar andere Aufgaben stellen. Und ich muss im Voraus wissen, was ich am Schluss vorzuweisen habe. Eine Dokumentation, ein Buch oder eine andere mediale Umsetzung. Ein solches Vorhaben muss natürlich gut vorbereitet sein. Viele Fragen muss ich im Voraus klären. Wie viel Geld soll ich mitnehmen? Welche Ausrüstung muss ich mitnehmen? Wann wäre der Punkt, wo ich aufgeben würde? Welches ist der begehbarste Weg, schliesslich sind die Alpen dazwischen? Wie genau, soll ich die Route im Voraus planen? Wie lange wird es dauern? Wie viel Zeit gebe ich mir? Wie lange kann man an einem Tag wandern? Welche Jahreszeit ist am günstigsten? Würde ich mich von schlechten Wetterprognosen beeinflussen lassen? usw.

Gemäss www.ch.map24.com, wo mir die schnellste Route per Auto angegeben wird, misst die Strecke 446.87 km, wobei natürlich jeweils der Ortsmittelpunkt angegeben wird. Dabei trifft man in Genua bereits im Stadtteil Voltri ans Meer. Auf dieser Website habe ich sogar gesehen, dass man die gleiche Strecke als Fussgänger berechnen lassen kann. Als ich das jedoch versucht habe, kam eine Fehlermeldung.

Auf Google maps hat die Berechnung für den Fussweg funktioniert. Unglaublich. Es erscheint zwar eine Warnung, dass die Routenplanung für Fussgänger noch im Betastadium und darum Vorsicht geboten sei, weil es möglicherweise keine Bürgersteige oder Fusswege gibt. Bravo. Hier misst der Weg 382 km und sei in drei Tagen begehbar. Ich konnte sogar meine genaue Heimadresse und den Stadtteil Voltri in Genua angeben und so wird die Strecke noch kürzer. Wenn man den Routenbeschrieb etwas genauer anschaut, sieht man, dass die vorgeschlagene Route ziemlich ungeeignet ist. Der Weg verläuft nämlich entlang von normalen Autostrassen. Darum auch die Warnmeldung. Und bei Punkt 84 in Brig, wird einem empfohlen den Zug nach Iselle zu nehmen, was natürlich überhaupt nicht meinem Vorhaben entspricht. Aber so als Idee, Grobkonzept finde ich es ganz lustig.

Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als detaillierte Wanderkarten zu studieren. So dass ich auf Wanderwegen und nicht entlang der Landstrassen oder Autobahnen wandern muss. Es könnte natürlich auch zum Konzept gehören, dass ich eben gerade keine Wanderkarte studiere und einfach drauflos marschiere und schaue, was passiert. Aber irgend etwas sagt mir, dass das nicht besonders schlau ist.

Ziel ist es, so wenig wie möglich von der geraden Luftlinie zwischen Bern und Genua abzuweichen. Durch das hügelige und bergige Gelände bin ich natürlich gezwungen Kompromisse einzugehen. Auf einer Landkarte schaue ich, wo die tiefsten Punkte der Berner und Walliser Alpen sind, die am nächsten dieser Luftlinie liegen. In den Berner Alpen muss das der Lötschenpass (2690 M.ü.M.) und in den Walliser Alpen der Monte Moro Pass (2853 M.ü.M.) sein. Und da haben wir es bereits, das Meer. Die Höhenangaben werden mit Meter über Meer angegeben.

Das ganze Projekt hat etwas von einer Pilgerreise. Allerdings sehe ich es nicht in einem religiösen Zusammenhang. Pilgern hat in fast allen Religionen eine lange Tradition. Es geht um Gotteserfahung mit all unseren Sinnen. Es geht aber auch um Selbsterfahrung, Besinnung und Inspiration. Auf dem Weg hat man genug Zeit über vieles nachzudenken. Zeit auch um sich selber besser kennenzulernen. Dies geschieht unweigerlich, ist jedoch nicht meine Hauptmotivation. Auch bekannte Pilgerwege, wie der Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien sind mir zu religiös und zu gut organisiert. Im amüsant plaudernden Ton schildert der bekannte deutsche Entertainer Hape Kerkeling in seinem Buch «Ich bin dann mal weg» seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg. Allerdings habe ich nicht vor, dieses Buch zu lesen oder vielleicht erst danach.

Noch weiss ich nicht, ob ich dieses Projekt tatsächlich umsetzen werde. Mir gefällt die idee und meine Hauptmotivation wäre das Abenteuer, die Selbsterfahrung und das daraus resultierende Tagebuch mit Text und Bild. Schön an diesem Projekt ist auch, dass es auf absoluter Freiwilligkeit beruht. ich muss gar nichts. Abgesehen von der Natur, bestimme ich meine Regeln selbst. Wenn ich nach einem Tag keine Lust mehr habe, weil mir die Füsse schmerzen, kann ich jederzeit in einen Zug sitzen und nach Hause fahren.
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