January 11, 2010 / erstellt am:  January 11, 2010
Gedanken, Sucht, Lebenserfahrung

Gute Vorsätze fürs neue Jahr

Es sind zwar erst 11 Tage. Aber immerhin 11 Tage ohne Zigaretten. 11 harte Tage, weil sich der Nikotinentzug mit voller Kraft in Szene setzt. Das heisst permanent leicht gereizte Stimmung, nervöse Unruhe, Unkonzentriertheit und ein komischer Geschmack im Mund. Am schlimmsten jedoch ist die psychische Abhängigkeit. Es vergeht keine Stunde ohne, dass ich nicht ans Rauchen denken würde. Ebenso schlimm ist das absurde Gefühl, dass ich der Ärmste bin und mich masochistisch zum Leiden zwinge und mir die kleinen Freuden des Tages weggenommen werden. Unglaublich.
 
Sich fürs neue Jahr Vorsätze zu nehmen, sind meistens zum Scheitern verurteilt. Dennoch fasste ich mir den Vorsatz ab 1. Januar 2010 mit dem Rauchen aufzuhören und zwar komplett und ohne Kompromisse, aber auch ohne externe Hilfe. Den idealen Zeitpunkt gibt es sowieso nicht. Darum von jetzt auf sofort. Die letzte Zigarette noch am Silvesterabend zum fröhlichen Fest nach ungefähr 20-jähriger Rauchkarriere.
 
Klassisch habe ich in der Rekrutenschule mit rauchen begonnen. Da gab es mehrmals pro Tag befohlene Rauchpausen. Natürlich musste man nicht rauchen, aber beinahe alle rauchten und meine persönliche Stimmung schwankte irgendwo zwischen motivationslos, lustlos, mir-ist-sowieso-alles-egal und Langeweile. Geschwächtes Selbstwertgefühl kombiniert mit Gruppendruck und Anschiss-Laune waren förderlich sich sinnlos mit Zigaretten die Zeit zu vertreiben. Als sinnlos empfand ich sowieso die ganze Militärzeit und so spielte eine Sinnlosigkeit mehr auch keine Rolle.
 
Und so wurde aus Langeweile und Sorglosigkeit plötzlich Gewohnheit und Sucht. Mir fehlte die Stärke um mit dieser Dummheit zu stoppen. Denn rein vernunftsmässig betrachtet ist rauchen wirklich nur dumm. Es schadet der Gesundheit, macht abhängig, stinkt und kostet auch noch viel Geld. Vier schlagende Argumente, die ein Süchtiger jedoch ignoriert und irgendetwas von Genuss und Entspannung schwafelt.
 
Wenn es mich selber nicht betreffen würde, wäre das ganze Suchtphänomen eigentlich interessant zu beobachten. Der Mensch agiert gegen seinen Verstand. Dabei sind wir es gewohnt unsere Handlungen vom Verstand lenken zu lassen. Ein ähnliches Phänomen ist nur bei Verliebtheit zu beobachten, wobei dieses Phänomen bedeutend angenehmer ist.
 
Die öffentlichen Bemühungen mit Anti-Rauch-Kampagnen auf das Problem aufmerksam zu machen, wirkte bei mir eher kontraproduktiv. Entweder versuchte ich dem Thema auszuweichen oder verfiel in eine Art Trotzreaktion. Ich will selber bestimmen, was ich tue und was nicht, es wird mir ja sonst bereits vieles vorgeschrieben. Sterben müssen wir alle, durch das Rauchen halt etwas früher. Immerhin zählte ich mich nie zu den überzeugten Rauchern, sondern gab zu, dass ich süchtig bin und Schwierigkeiten habe, davon los zu kommen. Wenn ich ganz ehrlich war, schmeckten mir jeweils nur die ersten paar Züge einer Zigarette. Ansonsten schmeckten sie mir nicht und der Gestank vor allem in geschlossenen Räumen empfand ich auch als störend. So hatte ich nichts gegen das allgemeine Rauchverbot in Restaurants und öffentlichen Räumen einzuwenden. Je länger desto mehr störte mich auch das Gewohnheitsrauchen. Beim Kaffeetrinken, nach dem Essen, nach einer beendeten Arbeit oder schon nur beim Verlassen eines geschlossenen Raumes zündete ich mir automatisch eine Zigarette an. Ohne zu überlegen, aus reiner Gewohnheit. Irgendwie blöd.
 
Bereits zwei mal habe ich versucht mit Rauchen aufzuhören, habe es jedoch nie länger als 3 Tage ausgehalten. Ausgerechnet in so einer Phase begegnete ich einem Exraucher, der mir erzählte, dass er noch nach 7 Jahren das unstillbare Verlangen nach einer Zigarette verspürte. Nicht wirklich motivierend.
 
Ja, es ist eine Herausforderung mit dem Rauchen zu stoppen, weil das Verlangen zu Beginn des Entwöhnungsprozesses viel Anstrengung von einem abverlangt. Aber ich will nun stärker sein, als mein innerer Schweinehund. Ich will mich selber besiegen und beweisen, dass ich stark bin.
 
Gemäss Internetrecherchen erreichen die mühsamen Entzugssymptome nach 3 bis 7 Tagen ein Maximum und dauern etwa vier Wochen. Das Maximum sollte ich also bereits überschritten haben. Bekanntlich soll es nach Nikotinabstinenz zu einer deutlichen Gewichtszunahme (ca. 2 bis 5 Kilo) kommen. Oh Schreck, das auch noch. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass mich besonders abends unbändige Fressattacken überfallen. Zum Glück ging mein Fahrrad kaputt und mein Fahrradmechaniker ist in den Ferien und so entschloss ich mich täglich zu Fuss ins Büro zu marschieren (20 Minuten ein Weg) um durch Bewegung der drohenden Gewichtszunahme entgegen zu wirken. Gemäss einer anderen Studie nimmt das Rückfallrisiko erst nach 6 Monaten ab.
 
Mentale Stärke und Durchhaltewillen sind also gefragt. Ich erhoffe mir durch das Aufschreiben und Publizieren meiner Gedanken auf dieser Website eine Art Verbindlichkeit, die mich unterstützen soll. Ebenso hoffe, ich, dass ich mich mit jedem rauchfreien Tag besser und stolzer fühle und keinen schwachen Moment zum Rückfall erleide. Obwohl ich erst 11 Tage abstinent bin, habe ich bereits jetzt festgestellt, das ich Raucher und Raucherinnen beginne zu bemitleiden, weil sie nicht frei sondern abhängig sind.
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