April 16, 2009 / erstellt am:  April 16, 2009
Gedanken, Gedankenspiel

Abgetaucht - ich bin dann mal weg

Was würde passieren, wenn man auf einmal alles stehen und liegen lassen und weggehen würde? Mit weggehen, meine ich abtauchen, verschwinden, sich aus dem Staub machen. Abgesehen davon welche Beweggründe man für einen solchen Plan haben könnte.

Ich gehe davon aus, dass einige Leute  mich vermissen würden. Auch bei der Arbeit würde man nach drei Tagen vielleicht mal einen Telefonanruf zu Hause wagen, weil eine unabgemeldete Abwesenheit nach dieser Zeit mit einem Arztzeugnis nach schweizerischem Gesetz beglaubigt werden müsste. Das engste Umfeld, die Angehörigen würden mich wahrscheinlich bereits nach einem Tag vermissen und am zweiten oder dritten Tag eine Vermisstenanzeige bei der Polizei aufgeben, nachdem Nachforschungen bei anderen Freunden und Bekannten keine weiteren Erkenntnisse gebracht hätten. Wie weit käme man in dieser Zeit? Je länger die Abwesenheit dauert, desto grösser würden natürlich die Befürchtungen, dass mir etwas zugestossen sein könnte. Ein Unfall, sogar eine Entführung oder ein anderes Verbrechen würde in Betracht gezogen.

Trotz aller Spontanität würde mein Abtauchen doch eine gewisse Vorbereitung benötigen, zumindest gedanklicher Natur. Wohin soll ich denn gehen? Zu Fuss oder mit einem Fahrzeug? Was nehme ich mit? Habe ich Gepäck dabei? Wo werde ich übernachten? Wenn ja wie viel Geld würde ich auf mir tragen?
Da es sich nur um ein Gedankenspiel handelt, interessieren mich diese Fragen (vorerst) nicht. Was mich interessiert, ist die erst gestellte Frage: Was würde passieren, wenn ich auf einmal alles stehen und liegen lassen und weggehen würde?

Eine Suchaktion würde in Gang gesetzt. Tagelang durchkämmen Polizisten, Feuerwehrleute und freiwillige Helfer jeden Winkel rund um den Arbeits- und Wohnort. Sie fragen Freunde und Nachbarn, kontrollieren Parkhäuser, telefonieren mit Kliniken, Verkehrsbetrieben und Flughäfen. Taucher suchen die Gewässer ab. Ein Armee-Helikopter mit Wärmebildkamera kreist über der Gegend. Bluthunde schnüffeln durch Felder. Schulter an Schulter durchforsten Beamte die nahe gelegenen Wälder. Keine Ahnung, wie schnell die Polizei arbeitet. Aber bestimmt nach einer Woche würde in den Zeitungen und im Fernsehen eine öffentliche Vermisstenmeldung publiziert. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe. Ein Grenzübergang würde bereits problematisch, obwohl die Passkontrollen mit den neuen Abkommen nahezu wegfallen und dennoch glaube ich, dass die Zöllner informiert würden. Etwas später würde wohl auch Interpol und das Eidgenössische Amt für auswärtige Angelegenheiten eingeschaltet.

Natürlich müsste ich soweit weggehen, dass mich auf der Strasse niemand mehr erkennen würde. Je weiter vom bisherigen Wohnort entfernt, desto besser. Da ich kein Auto besitze wäre ich auf öffentlichen Verkehr angewiesen, weil man bekanntlich zu Fuss nicht so weit kommt. Wahrscheinlich würde die Polizei den Kauf der Zugfahrkarte eruieren können, ebenso alle Transaktionen mit der Kreditkarte. Um nicht wie ein Landstreicher herumzugammeln, müsste ich also doch einen grösseren Betrag an Bargeld mitnehmen.

Nach Veröffentlichung der Vermisstenanzeige, müsste ich mich wahrscheinlich einige Zeit richtig verstecken, das heisst so, dass ich - sagen wir mal - ein bis zwei Monate lang keinen Kontakt zu anderen Menschen hätte. Keine lustige Vorstellung - aber wahrscheinlich eine Notwendigkeit. Jeder Kontakt mit anderen Menschen steigert die Gefahr des Erkanntwerdens. Wildes campieren im Zelt irgendwo in einem abgelegenen Wald ohne Komfort und übermässige Hygiene. Keine wirklich reizvolle Vorstellung. Nach einer gewissen Zeit wäre ich gezwungen, wieder mit Menschen in Kontakt zu treten, schon nur um Nahrungsmittel zu besorgen, da ich mich kaum als Jäger und Sammler vorstellen könnte. Vielleicht müsste ich mir einen Verbündeten suchen, der in mein Vorhaben eingeweiht ist. Vielleicht würde es auch Sinn machen eine neue Identität anzunehmen - zumindest einen neuen Namen. Vielleicht würde auch der Zufall weiterhelfen.

Wann gilt eine Person als verschollen und nicht mehr als vermisst? Würde man sich eigentlich strafbar machen, wenn man einfach so abtauchen würde? Es bleiben nach wie vor viele ungeklärte Fragen. Und bitte keine falschen Vermutungen, dies ist wirklich nur ein Gedankenspiel. Die quälende Ungewissheit bis zur Verzweiflung möchte ich niemandem aufbürden. Ich kann mir kein Problem so gross und keine Lebenssituation so schlecht vorstellen, dass ich dieses Gedankenspiel in Tat umsetzen könnte, es sei denn äussere Umstände wie Krieg oder andere Katastrophen zwingen mich dazu, aber dann würde es nicht mehr den gleichen Voraussetzungen entsprechen.


Internetrecherche (Quelle www.ch.ch)
Es verschwinden in der Schweiz jährlich mehrere Personen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Unter gewissen Bedingungen ist es möglich, ihr Verschwinden offiziell feststellen zu lassen in Form einer so genannten Verschollenenerklärung.

Das Verschwinden einer Person stellt an sich keinen Rechtsanspruch dar. Eine Person von Amtes wegen als verschollen zu erklären, ist erst nach einer verhältnismässig langen Zeit (in der Regel nach fünf Jahren seit der letzten Nachricht) möglich.
Gerade für Angehörige einer verschwundenen Person kann die Situation Probleme (persönliche, wirtschaftliche etc.) aufwerfen. Rechtfertigt es ein legitimes Interesse, dass eine Person für verschollen erklärt wird, so kann die Verschollenenerklärung vom Gericht des Ortes, wo dieses Interesse am deutlichsten in Erscheinung tritt, ausgesprochen werden.

Eine Verschollenenerklärung zieht zivilstandesrechtlich die gleichen Konsequenzen nach sich wie das Eintreten des Todes. Die Verschollenheit wird im Zivilstandesregister beurkundet. Meldet sich die Person später wieder, wird die Verschollenheit wieder aus dem Zivilstandesregister gelöscht.

(Quelle: www.nzz.ch)
2005 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik landesweit 3'597 Vermisstenanzeigen, rund ein Drittel betreffen Kinder und Jugendliche. «Zum Glück kehren die meisten innert Stunden wieder von allein nach Hause zurück oder werden von der Polizei aufgegriffen», sagt Thomas Jauch, Mediensprecher der Stadtpolizei Bern. «Es kommt selten vor, dass hierzulande eine Person von einem auf den anderen Tag Familie und Vergangenheit hinter sich lässt und irgendwo ein völlig neues Leben beginnt», sagt Thomas Jauch. Ein Verschwundener wird 30 Jahre lang in den Polizeiakten geführt.
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