December 21, 2012 / erstellt am:  December 21, 2012
twitter, Gedanken, Meinung, Kolumne

Nein, ich twittere nicht

Weil es nichts zu zwitschern gibt und ich mich grundsätzlich frage, was dieses Gezwitschere soll. Oder was ist derart interessant, um es möglichst vielen Leuten mit maximal 140 Zeichen pro Textnachricht (Tweet) zu erzählen?

Gemäss Angaben auf Wikipedia weist im Jahr 2012 das twitter-Konto von Lady Gaga mit 23.3 Millionen die meisten Anhänger bzw. Verfolger auf. Das Interesse am Leben von prominenten Menschen scheint ungebrochen. Dabei kann ich mir nicht vorstellen, was mir Lady Gaga zu erzählen hätte, was mich tatsächlich interessieren könnte. Ich wundere mich sowieso, warum diese Frau derart populär werden konnte. Ihre Musik ist durchschnittlich, nicht besonders innovativ und auch ihre Stimme hat nur einen geringen Wiedererkennungswert. Wahrscheinlich hat sie die grosse Aufmerksamkeit durch ihre teilweise bizarren Verkleidungen und aufsehenerregenden Auftritte erreicht und kannte die richtigen Leute zum richtigen Moment. Und natürlich twittert sie, um ihre Popularität und somit ihren Marktwert noch zu steigern. Und der Fan hat das Gefühl seinem Star etwas näher zu sein. Wobei ich mir gut vorstellen kann, dass sie gar nicht selber twittert, sondern in ihrem Namen twittern lässt.

Für einen dynamischen Politiker oder eine Politikerin gehört das Twittern zum guten Ton. Es ist ein Zeichen für Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Medien - dem Neuen im Allgemeinen. Wer nicht mitmacht, läuft in Gefahr den Anschluss zu verlieren, nicht mehr dazu zu gehören oder als konservativ zu gelten. Genauso verlief es mit den Handies, die heute ein Smartphone sein müssen. Oder natürlich auch facebook und anderen sozialen Netzwerken.

Lady Gaga will, dass ihre Musik gehört wird, dass sie gekauft wird oder dass Menschen ihre Konzerte besuchen. Und der Politiker arbeitet an seinem Image und will im Endeffekt wiedergewählt werden. Diese beiden Beispiele setzen also alles daran um im Gespräch zu bleiben und nicht in Vergessenheit zu geraten. Dies sind offensichtliche Beweggründe um zu twittern. Aber die wenigsten Menschen wollen etwas verkaufen oder sich wiederwählen lassen und twittern dennoch. Es scheint ein grundlegendes Mitteilungsbedürnis zu sein, welches durch die neuen Medien leichter zu befriedigen ist.

Auch ich kenne dieses Mitteilungsbedürfnis und attestiere mir selber einen gewissen Geltungsdrang. Ansonsten hätte ich kein Profil auf facebook und würde keine eigene Website betreiben. Jedem seine Bühne zur Selbstdarstellung um nicht in der Bedeutungslosigkeit unterzugehen oder zumindest in diesem Glauben zu sein. Twitter ist auch so eine Bühne, die sich jedoch auf 140 Zeichen pro Textnachricht beschränkt und daher die Versuchung um so grösser ist, Belanglosigkeiten zu verbreiten. Nichts gegen Belanglosigkeiten, nichts gegen Klatsch und Tratsch und erst recht nichts gegen opulente Selbstdarstellungen. Aber ich fürchte mich dabei zu langweilen und habe auch nicht die Absicht, andere langweilen zu wollen. Deshalb beginne ich schon gar nicht zu twittern und lese lieber ein weiteres Buch von Julian Barnes.

PS: Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dieses soeben Geschriebene mit mehr als 140 Zeichen auch in die Abteilung Belanglosigkeiten und Selbstdarstellung gehört. Beim Schreiben habe ich mich aber nicht gelangweilt und zu lesen und zu urteilen (langweilig oder nicht) ist jedem selber überlassen.
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