March 22, 2009 / erstellt am: March 22, 2009 Gedanken, Lebenserfahrung, Gesellschaft
Wer ist ein Bünzli?
Der alte Kampfbegriff der 68-er-Generation gegen das Establishment hat heute zwar an Relevanz verloren. Dennoch taucht der verpönte Begriff des «Bünzlis» immer wieder auf, auch wenn ihm den Duktus des ewig Pubertierenden (Abgrenzung von den Eltern) anhaftet.
Ein Bünzli (oder Spiessbürger, Spiesser) will niemand sein. Bünzlis sind immer die anderen. Und wer andere als Bünzli bezeichnet gerät bereits selber unter Verdacht ein solcher zu sein.
Aber was charakterisiert einen Bünzli? Welche Eigenschaften machen ihn aus und wie werden sie sichtbar?
Ein Bünzli ist gutbürgerlich, kleinkariert, angepasst, anständig, selbstgerecht, intolerant, geistig unbeweglich, unauffällig, pedantisch, durchschnittlich, vernünftig, langweilig, beständig, vorschriftsmässig handelnd, pocht auf Recht und Ordnung, ist mut- und risikolos, eher humorlos, konservativ, moralisierend und sicherheitsdenkend.
In Zusammenhang mit dem Begriff passen auch Nachbarschaftsstreit (meistens um lächerliche Lappalien), Schrebergärten mit Gartenzwergen (wobei nicht jeder Besitzer eines Gartenzwerges zwingend ein Bünzli sein muss), ritualisierte Alltagshandlungen (wie Autowaschen oder Rasenmähen am Samstagnachmittag oder Sonntagsbraten), Beamtentum und Verwaltungsapparat, Wohnwand und Plüschtiere als Zimmerdekoration, Schnäppchenjäger mit Geiz-ist-Geil-Mentalität.
Gut möglich, dass sich die Bedeutung des Begriffs im Laufe der Zeit verändert, wie bereits Linus Reichlin vor Jahren festgestellt hat. So werden heute Tätowierungen im Allgemeinen und das Arschgeweih im Speziellen neue Symbole für das Bünzlitum.
Werden wir nicht alle mit der Zeit bünzliger, weil man mit zunehmendem Alter angepasster und vernünftiger wird? Man hat sich behaglich eingerichtet, seine Meinungen zementiert und auch was Geschmack betrifft, lässt man sich weniger auf Neues ein und der abwertende Begriff «Bünzli» verliert zunehmend an Bedeutung.
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