December 31, 2013 / erstellt am:  December 31, 2013
Gedanken, Arbeit, Leben, Leidenschaft, Lebenskonzepte

Leben um zu arbeiten oder arbeiten um zu leben?

Ich habe die dunkle Vorahnung, dass sich mein neues Lebenskonzept später einmal rächen wird. Aber noch überwiegen die Vorteile. Noch empfinde ich eine stille Genugtuung mich damit gegen gängige Normen aufzulehnen. Und noch wüsste ich keine Alternative.

In meinem bisherigen Leben habe ich mir nie so etwas wie ein Lebenskonzept entworfen. Ich hatte sogar die Vermutung, dass ein Lebenskonzept zu einschränkend wäre und ungeahnte Möglichkeiten nicht zulassen würde. Ein Irrtum, ich weiss, weil man ja jederzeit sein Lebenskonzept den neuen Gegebenheiten anpassen könnte. Grundsätzlich lernt man: Nur wer sich ein Ziel setzt, kann dies auch erreichen. Ändern sich die Voraussetzungen, kann die Zielsetzung angepasst werden.

Ich lebte mehr oder weniger planlos. Die ersten Lebensjahre werden einem ja sowieso zuerst von den Eltern und danach von der Gesellschaft vorgeplant oder im Falle der Eltern vorgelebt. Vater und Mutter sind in den ersten Lebensjahren das Mass aller Dinge, weil man ja sonst nichts anderes kennt. Meine Planlosigkeit habe ich also von meinen Eltern. Auch sie hatten keinen Plan oder haben ihn mir nie erzählt. Dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Familie gegründet hatten und dafür sorgen mussten, dass diese existieren und gedeihen konnte, war für mich kein richtiger Plan, weil dies dem Normalzustand entsprach.

Ebenso dem Normalzustand entsprach es, in die Schule zu gehen um möglichst viel zu lernen. Dass es dabei in erster Linie darum gehen sollte, seine Interessen und Talente herauszufinden, ging beinahe vergessen. Schule und Ausbildung sind der Plan, der uns von der Gesellschaft vorgegeben wird. Hier lernte ich, dass die Arbeit einen wichtigen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat. Die Berufswahl oder die Entscheidung für eine Ausbildung schob ich weiter hinaus in dem ich aufs Gymnasium ging.

Planlos zu leben heisst nicht, keine Ansprüche zu stellen. Sondern stets offen für Neues und Unerwartetes zu sein. Meine Ansprüche waren eher ideeller als materieller Art. So wollte ich zum Beispiel immer eine Arbeit, die mich befriedigt. Einen Beruf zu wählen um möglichst viel Geld zu verdienen, hat mich nie interessiert. Die Freude stand immer vor dem Profit. Wenn man eine Arbeit findet und dabei auch noch gut bezahlt wird - umso besser. Aber in gestalterischen Berufen ist dies doch eher selten der Fall. Dennoch war meine Berufswahl zum ersten Mal in meinem Leben eine Entscheidung, die mein Lebenskonzept zwangsläufig beeinflussen sollte.

Nach der Ausbildung hatte ich das Glück eine Stelle als Grafiker zu finden, die mich über viele Jahre mehrheitlich befriedigte. Ich lebte um zu arbeiten, weil ich gerne arbeitete und gerne bereit war mich mit Herzblut einzusetzen. Dass ich dabei Beziehungen und Freundschaften vernachlässigte, viel mir gar nicht auf. Ich tat, was man so tut - 100% arbeiten, was dem gängigen Plan entsprach, den ich nie bewusst gewählt hatte.

Heute arbeite ich nur noch 50% um Geld zu verdienen, damit ich meine Fixkosten bezahlen kann und die restlichen 50% widme ich meinen Leidenschaften. Leidenschaften brauchen Zeit und die hat man nicht, wenn man 100% arbeitet. Damit liege ich zwar knapp unter dem Existenzminimum, was ich mit Nebeneinkünften aus selbständiger Arbeit aufbessere, sofern ich Aufträge habe. Reich werde ich dabei nicht, aber es reicht zum Überleben. Die Versuchung ist gross, zuzustimmen, wenn ich angefragt werde, ob ich mehr arbeiten wolle. Um den guten Willen zu zeigen, arbeite ich dann mehr als 50%, aber nur zeitlich befristet.

Das Leben ist sinnlos, also muss man ihm selber einen Sinn geben. Dies haben auch schon andere herausgefunden. Das Schöne an Leidenschaften ist, dass ich zwar damit kein Geld verdienen kann, dass sie aber für mich einen Sinn ergeben. Viele finden einen Sinn im Leben in dem sie eine Familie gründen, was für mich nie eine Option war. Ich widme meine Zeit lieber meinen Leidenschaften, was mir mein neues Lebenskonzept erlaubt. Zu einem Lebenskonzept zählt eben nicht nur die Arbeit. Heute arbeite ich um zu leben, weil das Leben mehr beinhaltet als nur die Arbeit.

Gut möglich, dass sich mein Lebenskonzept wieder ändern wird. Wenn ich zum Beispiel ein gutes Jobangebot erhalte, wenn sich die Gegebenheiten ändern, wenn ich im Lotto gewinne oder wenn ich unerwarteterweise mit meinen Leidenschaften Geld verdienen könnte. Aber so lange ich nicht selber weiss in welche Richtung es gehen soll, lebe ich so weiter. Mich für eine Richtung zu entscheiden, fällt mir schwer. Veränderungen sind mir unangenehmer als erwartet. Noch habe ich mich vom planlosen Leben nicht ganz verabschiedet.

Manchmal verbringe ich den Tag mit nichts tun. Obwohl mir das immer noch schwer fällt. So habe ich zum Beispiel immer noch das Gefühl nichts getan zu haben, wenn ich den ganzen Tag nur lese.
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