November 5, 2011 / erstellt am:  November 5, 2011
aufgefallen, gefallen, Grafik, Plakat, Wettbewerb

Ein Plakat macht Blau

Es hat etwas «Schnodriges», so dahin geworfen, schnell, schnell. Dabei kann es manchmal lange dauern und viele Entwürfe benötigen, bis man die richtige Idee für ein Plakat gefunden hat. Die Idee, der zündende Gedanke, ist das Wichtigste. Aus der Idee ergibt sich die Gestaltung. Oder die Gestaltung passt sich der Idee an.

Die Idee für dieses Plakat, welches für Plakate werben soll, ist einfach, prägnant und humorvoll: Es stellt eine verlassene Plakatwand dar, auf der in Leimrückständen mit dem Finger eine kurze Nachricht hinterlassen wurde: «Heute mache ich Blau. Dein Plakat». Das eigentliche Plakat ist abgehauen und hat eine Nachricht hinterlassen. Durch seine Abwesenheit macht es auf sich selber aufmerksam. Wäre diese «Abwesenheitsmeldung» mit einer konventionellen Schreibschrift aufwändig konstruiert und detailreich ausgearbeitet, wäre die Aussagekraft verloren gegangen. Das «Schnodrige» dieser Handschrift unterstützt die Aussage «Heute mache ich Blau». Diese Redewendung für «frei nehmen», «Nichtstun», «der Arbeit fernbleiben», ergibt die dominierende Farbe des Plakates. Gleichzeitig verweist die Farbe Blau auf die Rückseite von Plakatpapieren, die oft mit einem blauen Raster versehen sind, was beim Überkleben das Durchscheinen kontrastreicher Elemente früherer Plakate verhindert.

Dieses Plakat hat den ersten Preis beim internationalen Plakatwettbewerb für Studierende vom Plakatfestival «Weltformat» gewonnen. Es wurde von Nina Wagner und Lorenza Di Fiore von der Hochschule der Künste Bern gestaltet und eingereicht. Eine Fachjury unter der Leitung des Bündner Grafikers Remo Caminada hat aus 400 Einsendungen aus über 20 Nationen 20 Plakate nominiert und eines als Sieger erkoren. Das Gewinnerplakat wird mit einer Auflage von 500 Stück im Offsetverfahren gedruckt und in einem schweizweiten Aushang der APG Affichage präsentiert.

Ob es seinen Zweck erfüllt und tatsächlich für das Plakat als Werbeträger wirbt, ist schwierig zu beurteilen. Aber es fällt auf, weil es sich durch die reduzierte Farbgebung, die «schnodrige» Handschrift und die humorvolle Idee, von vielen anderen Plakaten unterscheidet. Auch wenn ich mit dem Juryentscheid absolut einverstanden bin, habe ich aus den 20 nominierten Plakaten acht weitere ausgewählt, die mir aufgefallen sind. Nicht nur solche, die mir besonders gut gefallen, sondern solche, bei denen ich zumindest die Botschaft verstanden habe:

- Martin Borst: Ja, dieses Plakat kann man nicht ignorieren, weil es einem förmlich anspringt. Allerdings ist mir die Farbgebung mit Rot und Blau schleierhaft.

- Michael Fankhauser: Ein Plakat für Plakate für Plakate. Oder ein Plakat für «Plakate für Plakate». Wie auch immer... Hier wirbt ein Plakat für andere Plakate, die wiederum für andere Plakate werben. Allerdings bezweifle ich, dass dieses Plakat auf der Strasse wirklich verstanden wird.

- Kaj Lehmann: Das Plakat bringt Farbe in unseren grauen Alltag. Einfache Botschaft, vielleicht etwas zu einfach? Was bei einigen Plakaten zu weit hergeholt ist, ist bei diesem Plakat vielleicht etwas zu naheliegend.

- Raphael Schön: Einerseits erinnert es mich an einen Vortrag mit ähnlichem Titel von Claude Kuhn, der über seine Plakate sprach, und andererseits kann die Botschaft auch negativ verstanden werden. Plakate sind geschwätzig und plappern sinnlos drauflos. Dennoch finde ich das «Blakat» witzig.

- Lorenzo Zimmermann: Plakate sind temporär, vorübergehend und befristet. Ein Plakat löst das nächste ab. Leider zu gewollt gestaltet. Und was soll dieser Kopf ausser, dass Augen immer unsere Aufmerksamkeit anziehen?

- Benjamin Kivikoski: Das Plakat als giftiges Objekt reizt unsere Augen. Kann auch missverstanden werden und dreht die Aussage ins Gegenteil von dem, was beabsichtigt war. Plakate sind gefährlich, weil sie unsere Augen reizen. Das Plakat wirbt gerade nicht für Plakate, sondern warnt uns vor ihnen, wenn man überhaupt bemerkt, dass es um Plakate gehen soll.

- Axel Öland: Hier verstehe ich überhaupt nichts: Was hat dieses Verkehrsschild, wenn es tatsächlich existiert, mit Plakaten zu tun? Warum wurde dieses Plakat nominiert?

- Will Rice: Grafisch reduziert, schön gestaltet aber auch mit einer eher negativen Botschaft. Eingespannt im Schraubstock fühlt man sich selten wohl. Auch hier merkt man nicht, dass es um Plakate gehen soll.

offizielle Website mit allen nominierten Plakaten
meine Plakatentwürfe
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