May 8, 2015 / erstellt am:  May 17, 2015
aufgefallen, gefallen, Fotografie, Ausstellung

Kunst oder Kitsch?

Vielleicht stellt sich die Frage, ob etwas Kunst oder Kitsch ist, gar nicht. Erst recht wenn die Fotografien vom Schweizer Fotografen Christian Coigny nicht in einem Kunstmuseum sondern im Historischen Museum in Lausanne gezeigt werden. Sie wollen gar keine Kunst sein. Und dennoch kam bei mir ein Kitschverdacht auf, als ich durch die Ausstellung schlenderte. Und ich fragte mich warum.

Wikipedia: Kitsch steht zumeist abwertend gemeinsprachlich für einen aus Sicht des Betrachters minderwertigen, sehnsuchtartigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz gebracht zu einer künstlerischen Bemühung um das Wahre oder das Schöne, werten Kritiker einen zu einfachen Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental, trivial oder kitschig.

Duden: aus einem bestimmten Kunstverständnis heraus als geschmacklos (und sentimental) empfundenes Produkt der darstellenden Kunst, der Musik oder Literatur.

In der Ausstellung im Historischen Museum in Lausanne wurden Porträts, Akte, Stillleben und Landschaften vom Schweizer Fotografen Christian Coigny gezeigt. Alles wunderschöne schwarz-weiss-Fotografien. Der Fotograf bemüht sich sehr wohl um das Wahre und das Schöne. Er scheint geradezu süchtig danach zu sein. Kein Wunder arbeitete er auch vor allem für die Werbung, bei der idealisierte Szenarien gezeigt werden, die oft wenig mit der Realität zu tun haben und sich positiv auf das Produkt abfärben sollen. Es sind Inszenierungen die gefallen wollen. Und zwar einer möglichst breiten Masse. Die nicht anecken oder ungute Gefühle wecken. Allerdings kann ein zu viel des Guten ins Kitschige kippen, was mir beim Betrachten der Fotografien passiert ist.

kitschig = gefallsüchtig, massentauglich, idealisiert, klischeehaft, überinszeniert, lieblich, sentimental

Hinzu kommt der Drang zur Nostalgie, was sich bereits durch die Verwendung analoger Fotografie und den Entscheid nur schwarz-weiss zu fotografieren zeigt. Auf vielen Fotografien sind alte Räume zu sehen. Oder ein altes Strandbad, wie es heute nicht mehr existiert. Viele Fotografien seien von Kindheitserinnerungen geprägt. Die Bretagne, die Strände der Normandie, wo Coigny schon als Kind die Ferien mit seiner Familie verbrachte. «Ich bin ein Nostalgiker. Meine Melancholie ist geprägt von Sehnsucht. Sehnsucht nachdem was entschwunden ist» sagt er in einem Videoportrait.

Auf vielen Fotografien sind nackte oder halbnackte Frauen zu sehen. Meist schön posierend ohne anzüglich zu wirken. Er ist von den Frauen fasziniert, wie er selber zugibt: «Die Fotografie ist ein Vorwand. Eigentlich geht es um etwas anderes. Es geht darum eine Frau anzurufen und zu fragen: Hast Du heute Morgen Zeit? Kommst Du mit mir Fotos machen? Ich habe die Fotografie benutzt um mich den Frauen zu nähern. Ein ideales Hilfsmittel.»

Dennoch habe ich mich gefragt, warum nur Frauenakte ausgestellt wurden. Dabei hat Christian Coigny auch ein ganzes Buch dem männlichen Akt gewidmet. Es erweckt den Eindruck, als ob nur der weibliche Körper als schön gilt, was einem ziemlich seltsamen und antiquierten Klischee entspricht. Bereits in der Antike wurden sowohl männliche wie weibliche Körper idealisiert dargestellt und als gleichwertig und schön empfunden. Warum also diese seltsame Auswahl? Wollte man nicht einen Querschnitt durch das gesamte Schaffen von Christian Coigny zeigen?

Bekannt wurde Christian Coigny übrigens durch eine Werbekampagne von Vitra. Dabei fotografierte er 130 mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten auf den Designer-Stühlen von Charles Eames, Antonio Citterio oder Jasper Mossison, die von Vitra produziert werden.

Gerade weil diese Ausstellung bei mir so viele Fragen aufwarf, hat sie mir gut gefallen. Und ab und zu etwas Kitsch und nackte Frauen können nicht schaden.

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