December 23, 2007 / erstellt am:  December 23, 2007
Kunstprojekt, Recherche, Fotografie

Idee zu einem Kunstprojekt

Foto gesehen in «NZZ am Sonntag» vom 23. Dezember 2007 im Artikel «Nistplatz für die Sportfamilie» von Gerhard Mack im Kulturteil. 

Bildlegende: Interkultureller Balanceakt: Jacques Herzog (l.), Ai Weiwei, Pierre de Meuron in Perking 

Foto: Die beiden Schweizer Architekten zusammen mit dem chinesischen Künstler an reichgedeckter Tafel. Herr Ai Weiwei fotografiert mit seiner Handykamera den Gläserturm von Herrn Jacques Herzog. 

Projekt: Auftreiben dieser Fotografie auf der Handykamera von Herrn Weiwei 

Sinn und Zweck: Kunst hat nie Sinn und Zweck. Ist es mir, als unbekannter Weltbürger möglich diese Fotografie aufzutreiben. Der Weg ist das Ziel. Wie gehe ich vor, um dieses zugegeben etwas absurde Ziel zu erreichen und wie lange wird es dauern? Was ist, wenn ich diese Fotografie tatsächlich auftreiben kann? «So what?». Um dem Kunstprojekt mehr Gehalt zu geben notiere ich jeden Schritt der Recherchearbeit. Die Recherche selber ist Teil des Kunstprojektes und zugleich Motivation für die Umsetzung. Gibt es noch andere, ähnliche Fotografien? Erst in der Serie wird es wirklich zum Kunstprojekt. 

Interpretation: In alles kann etwas hineininterpretiert werden. Allem kann einen vermeintlich tieferen Sinn angehängt werden. So ginge es bei diesem Kunstprojekt, und als das muss ich es bezeichnen um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben, ums Aufzeigen der Möglichkeiten heutiger Kommunikationsformen, die sich rasant entwickelt haben und weiter entwickeln werden. 

erste Schritte: Ich brauche das Originalfoto um Herrn Weiwei erklären zu können, worum es geht. Auf der Website von «NZZ am Sonntag» finde ich nur den Artikel, aber ohne Fotos. Beim Originalfoto ist kein Fotografenvermerk angegeben. Da es beim Artikel auch um den Film «Bird's Nest» zur Entstehung des Olympiastadions in Peking von Christoph Schaub und Michael Schindhelm geht, könnte, es sein, dass das Originalfoto aus diesem Film stammt. Natürlich könnte ich die Fotografie auch einfach einscannen. Originalfoto gefunden auf der offiziellen Website des Films (http://www.herzogdemeuron-film.com) Die Rechte an der Fotografie sind bei «2008 by T&C Film AG», die ich jedoch erst benötige, wenn es zu einer Veröffentlichung meinerseits kommen würde. Der erste Schritt dauerte ca. 20 Minuten. 

zweiter Schritt: Ich muss mit Herrn Weiwei Kontakt aufnehmen. Das heisst ich brauche seine E-Mail-Adresse. Auf http://de.wikipedia.org/wiki/Ai_Weiwei finde ich eine ganze Biografie vom chinesischen Konzeptkünstler. Interessiert mich die wirklich? Ist die relevant für mein Kunstprojekt? Herr Ai Weiwei schreibt selber einen blog http://blog.sina.com.cn/aiweiwei, allerdings auf Chinesisch. Jetzt wird's schwierig. Vielleicht finde ich die gesuchte Fotografie selber auf seinem blog, aber wie suchen, wenn man kein Chinesisch kann? Zum Glück hat er auch noch eine englische Website http://www.aiweiwei.com Hier finde ich die E-Mailadresse editorial@aiweiwei.com Ob die wohl richtig ist? Wenn ja, dauerte dieser Schritt ca. 30 Minuten. 

dritter Schritt: Ich schreibe Herrn Weiwei eine E-Mail: 

Hello Mr. Weiwei 
Could you please send me the photo you made with your handycamera (see attached file). I found this picture on the official website to the movie «Bird's nest» (http://www.herzogdemeuron-film.com). I am a swiss concept artist and searching for original pictures made during another picture was made. It sounds a little bit strange, like art often could sound a little bit strange. The original photo and the photo you made will be a part of an internet art project I'm working for. I'm looking forward to your answer and hope my wish will come true. 

With kind regards 
Thomas Roethlisberger 
info@teojakob.ch 
roethlisberger.thomas@hispeed.ch 

Mein Englisch ist miserabel und zugegeben ich nenne mich auch nur Konzeptkünstler, damit mein Anliegen vielleicht etwas bessere Chancen hat. Zur Sicherheit schicke ich meine Anfrage auch an info@aiweiwei.com 

vierter Schritt: Warten auf Antwort. 
Antwort nach 3 Minuten: This email address (editorial@aiweiwei.com) is no longer in use. Please send all future emails to Ai Weiwei to: aiweiwei.fake@gmail.com 
Also erneuter Versuch meine Anfrage an aiweiwei.fake@gmail.com zu senden. 

fünfter Schritt: Während dem warten auf Antwort recherchiere ich weiter, da ich mir nicht sicher bin, ob die gefundenen E-Mail-Adressen auch wirklich stimmen. Auf http://www.pekingblog.hochparterre.ch/kultur/ai-wei-wei.html finde ich den Blogeintrag einer Journalistin oder eines Journalisten Von Kagelmacher, die oder der Ai Weiwei kennt. Frage per Mail nach der korrekten E-Mailadresse von Ai Weiwei. 

sechster Schritt: Beschliesse hiermit das Projekt zu beenden (es sei denn ich erhalte tatsächlich Antwort) Was zählt ist nach wie vor die Idee, die ich reizvoll finde. 

siebter Schritt: Ich habe die Fotografie erhalten. Es ist wie ein Weihnachtsgeschenk. Der Assistent von Herrn Ai Wei Wei hat mir die Fotografie gemailt: 

Dear Thomas,   
Attached is the image Weiwei made with his cell phone.   

Happy Holidays and New Year!   
Best, Yuan   

GAO YUAN  |  ARTIST ASSISTANT 
258 CAOCHANGDI CHAOYANG DISTRICT BEIJING CHN 100015 
t +86 84561233  f +86 84564194  
w blog.sina.com.cn/aiweiwei 

Unglaublich wie einfach das war. Fast ein bisschen enttäuschend, wie einfach das war. Und trotzdem überkommt mich so etwas wie Euphorie: Ich muss dieses Projekt irgendwie weiterführen. Mir fällt eine Foto ein, die ich selber von einer fotografierenden Person gemacht habe. Ich könnte diese Foto auch auftreiben. Allerdings wäre dies nur eine Wiederholung. Ich muss das Ganze in einen grösseren Zusammenhang stellen. 

achter Schritt: Nachdenken über einen grösseren Zusammenhang.
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